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aus: Neue Justiz BAG, Urteil vom 13. Juni 1996 – 2 AZR 402/95
(LAG Halle). Die Kl. war bei dem bekl. Land als Bürokraft mit
einer vereinbarten Probezeit von sechs Monaten beschäftigt. Zur
beabsichtigten Kündigung während der Probezeit wurde vom
sachlich bevollmächtigten Dezernatsleiter der Bezirkspersonalrat
um Zustimmung gebeten. Nach Beratung dort wurde das
Anhörungsschreiben mit dem Vermerk »zugestimmt«, unterschrieben
vom stellv. Vorsitzenden des Bezirkspersonalrats, der der Gruppe
der Arbeiter angehört, an die Personalabteilung zurückgesandt.
Danach erfolgte die Kündigung der Kl. zum 31.12.1993. ArbG und LAG haben nach dem Klageantrag erkannt. Aus den Gründen: Die Kündigung des bekl. Landes ist weder nach §
108 Abs. 2 BPersVG noch nach anderen Vorschriften
rechtsunwirksam. Die Klage ist deshalb unbegründet. II. Dem folgt der Senat nicht. 1. Es kann dahinstehen, ob der Ausgangspunkt des angefochtenen Urteils, eine ohne ordnungsgemäße Anhörung nach § 67 Abs. 2 PersVG/ LSA ausgesprochene Kündigung während der Probezeit sei nach § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam, zutrifft. Für die Personalvertretung im Bereich der Länder hat der Bund gem. Art. 75 Nr. 1 GG das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften zu erlassen. Die bundesrechtliche Regelung muß als ganzes auf Ausfüllung durch die Landesgesetzgebung hin angelegt sein. Dem Landesgesetzgeber muß in der sachlichen Rechtsgestaltung Raum für eigene Willensentschließungen von substantiellem Gehalt bleiben (BVerfGE 51, 43, 54). Durch § 108 Abs. 2 BPersVG hat der Bundesgesetzgeber nur die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Beteiligung einheitlich geregelt, um insoweit eine mögliche Rechtszersplitterung im arbeitsrechtlichen Bereich des Kündigungsschutzes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) zu verhindern. Weder der Kreis der Angelegenheiten, in denen die Personalvertretung zu beteiligen ist, noch Inhalt und Umfang der Beteiligungsrechte für bestimmte Angelegenheiten sind bundesrechtlich verbindlich festgelegt. Dem Landesgesetzgeber ist es nicht verwehrt, von einer Mitwirkung der Personalvertretung bei Kündigungen in bestimmten Fällen ganz abzusehen oder andere Formen der Beteiligung zu entwickeln, als sie im Bundesgesetz vorgesehen sind. Daher würde einer landesgesetzlichen Regelung, die eine Beteiligung des Personalrats bei Probezeitkündigungen überhaupt nicht vorsieht, nichts entgegenstehen. Man könnte deshalb immerhin erwägen, ob nicht lediglich die Bezeichnung als »Anhörung« in § 67 Abs. 2 PersVG/LSA mißverständlich ist und der Landesgesetzgeber die Probezeitkündigungen ebenso wie die Abmahnungen von einer echten Personalratsbeteiligung ausnehmen und dem Arbeitgeber nur eine Mitteilungsobliegenheit zur Wahrung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit auferlegen wollte, die im Falle ihrer Verletzung folgenlos bleiben sollte. Immerhin zeigt die Senatsrspr. zur Betriebsratsanhörung in den ersten sechs Monaten (Senatsurt. v. 18.5.1994 – AP Nr.64 zu § 102 BetrVG 1972), daß eine solche Regelung durchaus Sinn machen kann, weil bei Probezeitkündigungen der Kündigungsentschluß des Arbeitgebers häufig von dem einer Erörterung mit der Personalvertretung kaum zugänglichen Werturteil des Arbeitgebers abhängen wird, der Arbeitnehmer habe die Probezeit eben nicht bestanden. Ob § 108 Abs. 2 BPersVG dem Landesgesetzgeber allgemein oder zumindest für Probezeitkündigungen wirklich den Spielraum zu einer solchen Lösung läßt (dafür: Reich, PersVG Sachsen-Anhalt, § 67 Rz 16), muß aber nicht abschließend entschieden werden. Selbst wenn man insoweit dem LAG folgt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, denn der Personalrat ist im vorliegenden Fall ordnungsgemäß angehört worden. 2. Zu Recht hat das LAG angenommen, daß die Wirksamkeit der Anhörung nicht daran scheitert, daß das Verfahren nach § 67 Abs. 2 PersVG/LSA nicht durch den Dienststellenleiter, den Regierungspräsidenten, eingeleitet worden ist und das bekl. Land auch zur Frage einer Verhinderung des Regierungspräsidenten an dem betreffenden Tag keine näheren Umstände vorgetragen hat. Zwar handelt nach § 7 Abs. 1 PersVG/LSA für die Dienststelle ihre Leiterin oder ihr Leiter und die Dienststellenleitung kann sich ohne Zustimmung der Personalvertretung (vgl. dazu § 7 Abs. 3 PersVG/LSA) nur im Verhinderungsfall durch andere Beschäftigte vertreten lassen. Wie der Senat aber bereits zu der vergleichbaren Vorschrift des § 7 BPersVG entschieden hat (Urt. v. 26.10.1995 – 2 AZR 743/94 – NJ 1996, 224 [Leits.]), ist ein etwaiger Mangel in dieser Richtung dann unbeachtlich, wenn der Personalrat daran keinen Anstoß nimmt. ... 3. Es ist jedoch rechtsfehlerhaft, wenn das LAG die Wirksamkeit der Personalratsanhörung daran hat scheitern lassen, daß die Zustimmungserklärung von dem stellv. Vorsitzenden des Bezirkspersonalrats, der der Gruppe der Arbeiter angehört, unterschrieben worden ist. Durch den Zustimmungsvermerk hatte der Bezirkspersonalrat dem bekl. Land angezeigt, daß aus seiner Sicht das Anhörungsverfahren abgeschlossen war. Ein Fehler bei der Unterzeichnung des Vermerks ist der Sphäre des Bezirkspersonalrats zuzurechnen und kann dem bekl. Land deshalb nicht entgegengehalten werden. Die Kündigung konnte deshalb am 22.11.1993 nach Eingang des Zustimmungsvermerks ausgesprochen werden, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Anhörungsfrist des § 67 Abs.2 Satz 3 PersVG/LSA noch nicht abgelaufen war. a) Ist zu einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahme keine Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats, sondern wie nach § 67 Abs.2 PersVG/LSA nur dessen Anhörung erforderlich, so gilt nach der st. Senatsrspr. (BAGE 27, 209, 213 f. = AP Nr. 4 zu § 102 BetrVG 1972; Urt. v. 2.4.1976 – AP Nr. 9 zu § 102 BetrVG 1972 und v. 23.8.1984 – AP Nr. 17 zu § 103 BetrVG 1972), an der festzuhalten ist, die sog. Sphärentheorie. Während bei einer Zustimmungsbedürftigkeit etwa nach § 103 Abs. 1 BetrVG die Abgabe einer rechtlich verbindlichen Zustimmungserklärung Voraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung ist (vgl. BAG, Urt. v. 24.4.1979 – AP Nr. 1 zu § 87 PersVG/Bln.), ist in den Fällen, in denen der Betriebs- oder Personalrat zu einer Kündigung lediglich anzuhören ist, überhaupt keine Stellungnahme des Betriebs- bzw. Personalrats erforderlich. Wird der Personalrat zu einer Kündigung angehört und schweigt er auf die Mitteilung des Arbeitgebers, so hat der Arbeitnehmer die Folgen des Verhaltens des Personalrats zu tragen; denn nach Ablauf der Anhörungsfrist kann der Arbeitgeber kündigen. Dieser Rechtsnachteil muß den Arbeitnehmer erst recht in dem weniger schwerwiegenden Fall treffen, in dem der Personalrat tätig wurde und dem Arbeitgeber eine abschließende Stellungnahme zu der beabsichtigen Kündigung übermittelt hat, diese aber in einem fehlerhaften Verfahren zustandegekommen ist. Es ist ein überflüssiger Formalismus, vom Arbeitgeber in einem solchen Fall auch noch zu verlangen, vor Ausspruch der Kündigung den Ablauf der Anhörungsfrist abzuwarten (so schon BAGE 27, 209, 215 = AP, aaO, zu III 3 der Gründe). Mängel bei der Anhörung, die in den Zuständigkeitsbereich und Verantwortungsbereich des Personalrats fallen, berühren damit die Ordnungsmäßigkeit des Anhörungsverfahrens nicht und wirken sich auch nicht auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung aus, selbst wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder vermuten kann, daß die Behandlung der Angelegenheit durch den Personalrat nicht fehlerfrei gewesen ist. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der Arbeitgeber durch unsachgemäßes Verhalten Mängel bei der Beteiligung des Personalrats veranlaßt oder sonst in unzulässiger Weise auf die Entscheidung des Personalrats Einfluß genommen hat (vgl. Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Albers/ Schlatmann, BPersVG, Stand: Mai 1990, § 79 Rz 144 f.). b) Der Fehler, der hier dem Bezirkspersonalrat unterlaufen ist, ist allein dessen Sphäre zuzurechnen. Gem. § 31 Abs. 2 Satz 2 PersVG/LSA vertritt der Vorsitzende den Personalrat in Angelegenheiten, die nur eine Gruppe betreffen, gemeinsam mit einem der Gruppe angehörenden Vorstandsmitglied, wenn er nicht selbst dieser Gruppe angehört. Ist das Vorstandsmitglied, das derselben Gruppe angehört wie der betroffene Arbeitnehmer, verhindert, so ist eine Vertretungsregelung zu treffen, die jedenfalls die mit dem Gesetz bezweckte wirksame Prävention gegen ein Überspielen des Gruppenprinzips und des darin enthaltenen Minderheitenschutzes verhindert. Die alleinige Vertretung des Personalrats durch ein gruppenfremdes Vorstandsmitglied ist danach unzulässig. ... c) Das bekl. Land hat auf das Verfahren des Bezirkspersonalrats keinerlei Einfluß genommen. Auch das LAG geht davon aus, daß weder die Sachbearbeiterin noch der Dezernent überhaupt Kenntnis davon hatten, wer den Zustimmungsvermerk unterschrieben hatte und welcher Gruppe der Betreffende angehörte. Es ist, wie die Revision zu Recht rügt, rechtsfehlerhaft, wenn das BerufungsG in diesem Zusammenhang darauf abstellt, das bekl. Land habe den Fehler erkennen können. ... Nicht einmal in dem Fall, daß die Zustimmung des Personalrats erforderlich ist, trifft den Arbeitgeber eine Erkundigungspflicht nach den näheren Umständen, die eine mögliche Fehlerhaftigkeit des Personalratsverfahrens begründen könnten (BAGE 46, 258 = AP Nr. 17 zu §103 BetrVG 1972). ... 5. Scheitert die Wirksamkeit der Kündigung nach alledem nicht an §108 Abs. 2 BPersVG, so hat die Kündigung des bekl. Landes das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1993 aufgelöst. Das KSchG ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar und sonstige Unwirksamkeitsgründe hat die Kl. nicht geltend gemacht. |
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Maria Timmermann Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Kurfürstendamm 59
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